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Digitale Transformation gemeinsam umsetzen

Industrie 4.0 und digitale Modelle, Schatten, Zwillinge

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Jürgen Hamm
Juergen Hamm
Das Fraunhofer IESE, NetApp und objective partner arbeiten seit mehreren Jahren im Bereich Industrie-4.0-Lösungen eng zusammen. Seit der Hannover Messe 2019 bieten die Partner  eine gemeinsame Industrie-4.0-Middleware-Lösung an. Die Open-Source Software Eclipse BaSyx bildet das Herzstück der Lösung ShopFloor 4.0. Als Anbieter von in Haus und Cloud-basierten Datenservices stellt NetApp die Daten-Infrastruktur zur Verfügung.

Der digitale Zwilling

In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Konzept des „digitalen Zwillings“ relevant. Der Begriff wird dabei in verschiedenen Kontexten mit unterschiedlichen Bedeutungen belegt. Dabei reicht die Spanne von einem einfachen 3D-Modell eines physischen Gegenstandes (Assets) bis zu einer vollumfänglichen Beschreibung eines Assets mitsamt physikalischen Simulationsmodellen und Durchgriff auf das reale Asset. In jedem Fall ist der digitale Zwilling ein digitaler Stellvertreter eines realen Assets. Zur Kategorisierung der dafür genutzten Begriffe eignet sich die Einteilung in Modell, digitaler Schatten und digitaler Zwilling nach Kritzinger et alKritzinger, Werner, et al. "Digital Twin in manufacturing: A categorical literature review and classification." IFAC-PapersOnLine 51.11 (2018): 1016-1022.. Die Unterscheidung leitet sich dabei von den unterschiedlichen Abstufungen der Integration zwischen realem Asset und virtueller Beschreibung ab:

  • Modell: Eine digitale Repräsentanz, zum Beispiel ein reines Simulationsmodell, ohne automatisierten Austausch zwischen realem und digitalem Objekt
  • Digitaler Schatten: Ein Modell eines Assets mitsamt eines automatisierten Flusses von Informationen aus der Realität in die virtuelle Abbildung
  • Digitaler Zwilling: Ein digitaler Schatten mit Rückführung von Änderungen aus der virtuellen Abbildung in die Realität und der Fähigkeit, ein reales System zu beeinflussen oder zu steuern

Der digitale Zwilling adressiert einen Aspekt, der vielen Systemen heute fehlt: Auch wenn ganze Systeme oder Systemkomponenten schon digitalisiert sind, gibt es kein einheitliches digitales Abbild dieser Systeme in ihrer Gesamtheit. Genau dies war bereits die ursprüngliche Motivation für das Schaffen des digitalen ZwillingsGlaessgen, E.; Stargel, D.: The digital twin paradigm for future NASA and U.S. air force vehicles. In proceedings of the 53rd AIAA/ASME/ASCE/AHS/ASC Structures, Structural Dynamics and Materials Conference (10.2514/6.2012-1818), 2012.. Ziel war es, einen virtuellen Stellvertreter zu kreieren, der anstatt eines realen Systems getestet werden konnte, um Kosten bei der Entwicklung zu sparen. Dieser sollte sich in jeder Situation wie sein reales Gegenstück verhalten. Auch heute führen Testaufwände bei der Komplexität und Vielfalt aktueller Systeme zu Herausforderungen, die sich ohne digitale Systemabbildungen nur sehr schwer lösen lassen.

Die Vorteile digitaler Systemabbildungen in der Industrie

So werden beispielsweise in der Fertigungstechnik Änderungen an der Produktion häufig an realen Systemen getestet. Dafür muss jedoch die laufende Produktion angehalten werden. Kommt es zu Fehlern, so müssen diese zuerst beseitigt werden, bevor die Produktion mit der veränderten Konfiguration wieder gestartet werden kann. Diese Standzeiten sind teuer und verringern die Flexibilität einer Produktion deutlich.

Eine digitale Systemabbildung würde beide Probleme lösen. Im Bereich der Produktion könnten Änderungen an einem digitalen Abbild der Anlage getestet werden, bevor Modifikationen an der echten Anlage vorgenommen werden. Dadurch kann ein Großteil der Probleme bereits in der virtuellen Umgebung gefunden werden. Dies würde zu deutlich geringen Standzeiten führen und dadurch Kosten und Zeit einsparen.

Ursprünglich wurde der digitale Zwilling konzipiert, um teure Tests in der Luft- und Raumfahrt zu virtualisierenGlaessgen, E.; Stargel, D.: The digital twin paradigm for future NASA and U.S. air force vehicles. In proceedings of the 53rd AIAA/ASME/ASCE/AHS/ASC Structures, Structural Dynamics and Materials Conference (10.2514/6.2012-1818), 2012.. Heute nutzt unter anderem auch die Automobilindustrie digitale Zwillinge, um die Entwicklungskosten durch virtuelle Tests zu senken.

Die Dokumentation von Produktionsprozessen

Der Bereich der Automatisierungstechnik prägt derzeit den Begriff des digitalen Zwillings am dominantesten. Während der Produktion müssen die einzelnen Produktionsschritte und die Produktqualität immer häufiger akkurat dokumentiert werden. Insbesondere bei kritischen Systemen, zum Beispiel in der Automobilindustrie und in der Luft- und Raumfahrt, werden digitale Schatten genutzt, um Werkstücke rückverfolgbar zu machen. Der digitale Schatten eines Produkts speichert dabei nicht nur den aktuellen Zustand, sondern auch die Historie der Produktion. Ohne einen Support durch die Digitalisierung der Produktionssysteme, die gemessene Kräfte automatisch dem richtigen Produkt zuordnen, ist eine solche feingranulare Dokumentation undenkbar.

Digitale Schatten werden auch eingesetzt, um digitale Abbilder von Produktionsprozessen und Fertigungsanlagen zu realisieren. Das Sammeln und Bereitstellen von Daten ermöglicht es, Optimierungspotenziale zu erkennen und mittels prädiktiver Wartung ungeplante Stillstände zu vermeiden. Ebenfalls gewinnt die virtuelle Inbetriebnahme von Fertigungslinien und -Anlagen an Bedeutung. Dabei werden Softwarekonfigurationen und -modifikationen an digitalen Zwillingen einer Anlage überprüft, bevor diese auf die reale Anlage gespielt werden. Auf diese Weise können Fehler früher gefunden werden, ohne dass die Anlage dafür angehalten werden muss. Der digitale Schatten ermöglich die virtuelle Inbetriebnahme der Software für die Anlagensteuerung und den gefahrlosen Test von Softwarekomponenten in Fehlersituationen, ohne dass dies Auswirkungen auf die reale Anlage hat.

Einsatzmöglichkeiten für Smart Cities

Pilotvorhaben für Smart Cities, wie beispielsweise in Stockholm oder Singapur, realisieren digitale Schatten durch die Digitalisierung und die Integration von Plänen, Karten sowie Bauwerks- und Sensordaten, um digitale Abbilder von Städten zu schaffenS. Wray, ,,Stockholm is 2019’s winner at Smart City Expo World Congress,“ 21.11.2019. [Online]. https://www.smartcitiesworld.net/news/news/stockholm-is-2019s-winning-city-at-smart-city-expo-world-congress-4803. [Zugriff am 27.03.2021].P. Liceras, ,,Singapore experiments with its digital twin to improve city life,“ Smart.City_Lab, 20.05.2019. [Online]. https://www.smartcitylab.com/blog/digital-transformation/singapore-experiments-with-its-digital-twin-to-improve-city-life/. [Zugriff am 27.03.2021].. Diese werden genutzt, um zum Beispiel virtuell Infrastrukturentscheidungen und Verkehrskonzepte zu erproben, oder um Bürger direkter in Entscheidungsprozesse einzubinden, diese transparent zu gestalten und dadurch deren Akzeptanz zu erhöhen.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass digitale Abbilder in vielen Bereichen heute bereits genutzt werden und eine wichtige Grundlage für zukünftige Systeme darstellen. Häufig wird dabei der Begriff digitaler Zwilling genutzt, um entweder ein Modell, einen digitalen Schatten, oder einen echten digitalen Zwilling zu bezeichnen.

Während es für Modelle und digitale Schatten eine Vielzahl von Lösungen gibt, sind Lösungen für echte digitale Zwillinge rar. Das Fraunhofer IESE hat gemeinsam mit weiteren Partnern aus der Forschung und der Industrie unter dem Namen Eclipse BaSyx die Industrie-4.0-Middleware-Lösung ShopFloor 4.0 entwickelt, welche die Prinzipen des digitalen Zwillings mit dem Industrie-4.0-Standard „Verwaltungsschale“ umsetzt.

Wenn Sie sich genauer dafür interessieren, wie eine solche Industrie-4.0-Infrastruktur aussehen kann, empfehlen wir Ihnen das folgende Whitepaper Industry 4.0 Made Easy.

Mehr über Eclipse BaSyx, Verwaltungsschalen, Einbindung in ihre Data-Fabric-Architektur und wie diese zum Einsatz kommen, erfahren Sie in unseren folgenden Blogeinträgen.

Mehr Informationen finden Sie hier.

Juergen Hamm

Jürgen Hamm ist seit März 2012 als Solution Architect SAP für NetApp Deutschland tätig. In dieser Funktion berät er Kunden und Partnern hinsichtlich IT Infrastruktur, Netzwerk- und SAP-Technologien sowie Virtualisierung unter VMware. Dabei stellt er auch funktionsübergreifende Teams zusammen, um den Erfolg von SAP-basierten Kundenprojekten in der DACH-Region (Deutschland, Österreich und Schweiz) sicherzustellen. Darüber hinaus treibt Hamm die Entwicklung von NetApp im Bereich des Internet of Things (IoT), das Erschließen von neuen Kundensegmenten sowie die Go-to-Market-Strategie von NetApp voran. So hat er unter anderem den Showcase zur IoT-Kaffeemaschine entwickelt, um die Rolle von NetApp im IoT-Umfeld zu demonstrieren. Vor seiner Tätigkeit bei NetApp, arbeitete er 14 Jahre als technischer Berater bei GOPA und Novasoft. Hamm ist außerdem staatlich anerkannter Techniker mit Fachrichtung Automatisierungs- und Produktionstechnik.

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